Wie Musiküben zu einer guten Gewohnheit wird

Latest Posts  •   14. Juni 2016

Musiküben – warum fällt es uns manchmal so schwer, es zu tun?

Ich habe Sebastian Quirmbach, Modern Music School’s Education Director, gefragt. In diesem Interview spricht er über Strategien, Motivation und Emotionen und welche Rolle sie beim Musiküben spielen. Denn obwohl wir an der Modern Music School immer sagen, dass die Zeit, die geübt werden sollte, sich nach dem Alter der Schüler, ihren Zielen und Fähigkeiten richtet, und wir wissen, dass tägliches Üben nicht jedermanns Sache ist, gibt es einen Vorteil bei allem, was wir täglich machen – Musiküben eingeschlossen – und Sebastian erklärt, was das ist.

HP: Sebastian, was würdest du Schülern raten, denen es schwer fällt, in eine gute Übungsroutine zu kommen?

SQ: Auf diese Frage habe ich zwei Antworten: Zunächst sollten sie entscheiden, WAS sie üben wollen. Denn wenn sie ein Lied spielen, das ihnen richtig gut gefällt und unter die Haut geht, dann macht das Üben so viel Spaß, dass sie gar nicht mehr damit aufhören wollen. Dann wäre es wahrscheinlich sogar schwer, sie vom Üben abzuhalten!

Und dann geht es natürlich um das WIE. Wie wir uns und unsere Übungszeiten am besten managen. Darauf gibt es eine einfache Antwort: Mach es dir so einfach wie möglich und denke weniger. Nicht denken, sondern machen. Das hilft immer dann, wenn wir etwas in Angriff nehmen wollen. Einfach anfangen, selbst wenn es nur zwei Minuten Üben pro Tag sind, daraus werden schnell fünf, zehn oder fünfzehn Minuten, besonders, wenn es Spaß macht. Denken wir vorher zu viel nach, öffnen wir die Tür für innere Dialoge. Wir suchen Entschuldigungen, bekommen Selbstzweifel und erfinden Gründe, warum es morgen besser sein wird als heute. Damit schränken wir unsere Produktivität ein. Wenn wir den Schalter einfach gleich auf “Action” umlegen, nutzen wir unsere Zeit und Energie für die Dinge, die uns wichtig sind und verschwenden sie nicht an innere Diskussionen.

HP: Viele Schüler sagen dann vielleicht, dass sie einfach nicht die Motivation finden, ihr Instrument zu spielen.

SQ: Naja, dann lassen sie es eben. Wer nicht wirklich motiviert ist, sollten nicht üben. Musik sollte eine Energiequelle sein und Freude bereiten. Heutzutage haben sogar schon kleine Kinder viel zu viele Verpflichtungen, von Erwachsenen mal ganz abgesehen. Da sollte man sich nicht zusätzlichen Druck machen. Obwohl ich auch hier raten würde, es einfach mal für eine Minute oder so zu probieren. Wenn es dann immer noch keinen Spaß macht, versucht man es eben am nächsten Tag wieder.

Viele Menschen haben eine falsche Vorstellung von Motivation. Sie denken, es sei so ein “Ding”, das, wenn man es denn hat, alles gut macht. In Wirklichkeit werden unsere Gefühle aber von sehr vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst, und darauf zu warten, dass man sich motiviert fühlt, ist niemals eine gute Strategie. Deshalb empfehle ich, einfach zu starten, Spaß zu haben und dann zu sehen, wie sich der emotionale Zustand verändert. Meistens fühlen wir uns dann nämlich besser, haben Freude am Spielen und sind beim nächsten Mal gleich mit mehr Motivation dabei.

HP: Gibt es weitere Strategien, die Schülern beim Üben helfen können?

Kontinuität. Am besten übt man täglich und unter den gleichen Rahmenbedingungen: gleiche Uhrzeit, gleiche Dauer, gleicher Ort. Der Vorteil ist auch hier wieder, dass weniger Zeit für die inneren Dialoge bleibt. Studien haben gezeigt, dass es für uns einfacher ist, wenn wir uns nicht ständig neu entscheiden müssen. Je klarer wir unser Vorhaben definieren und je weniger Optionen wir uns geben, desto höher sind unsere Erfolgschancen. Roy Baumeister nennt diese Idee in seinem Buch „Willpower“ übrigens „bright red lines“.

Kontinuität hat einen weiteren Vorteil: Alles, was wir kontinuierlich tun, wird zur Gewohnheit. Und Gewohnheiten sind deshalb so toll, weil sie automatisch ablaufen. Wir brauchen nicht über sie nachzudenken, da unser Gehirn auf Autopilot schaltet und sich um alles kümmert.

Ganz wichtig ist es dabei, klein anzufangen. Wir müssen es uns so einfach wie möglich machen. So einfach sogar, dass wir gar nicht scheitern können. Zwei Minuten Üben, das schaffen wir doch. Es kommt dann auch noch gar nicht darauf an, wie gut wir dabei sind, es geht vor allem darum, dass es Spaß macht. Und sobald wir mit Kontinuität dabei sind, können wir unsere Übungszeiten ja beliebig ausdehnen, bis wir unsere wahren Entwicklungsziele erreichen.

HP: Was sind beim Üben die größten Motivatoren?

SQ: Das kommt ganz auf den Schüler an. Für einige ist es die Freude am eigenen Fortschritt, für andere eine schöne Pause vom stressigen Alltag oder eine Möglichkeit, unter Leute zu kommen. Man trifft sich mit seinen Lehrern oder andere Mitglieder der Band oder Gruppe.

Was auch immer es ist, als Musiker hat man diese fantastischen Phasen, in denen es nichts Besseres gibt, als zu spielen. Man steht früh auf, um noch vor der  Arbeit oder der Schule zu üben und bleibt abends lange wach, weil man einfach nicht aufhören kann, und diese enge Verbindung mit seinem Instrument, der Musik und allen Musikern genießt, die genauso leidenschaftlich sind wie man selbst.

2020-04-24T07:23:17+00:00Juni 14th, 2016|

Hinterlasse einen Kommentar

Nach oben