Könnte ‚Spiel‘ der Schlüssel zu unseren Talenten sein
Latest Posts • 16. Dezember 2015
Viele Eltern machen es sich zur wohlgemeinten Mission, das wahre Talent ihrer Kinder zu entdecken. Sie möchten ihren Kindern helfen ‘es’ zu finden. ‘Es’ – die große Sache, in der sie besonders gut sind, die sie mit Leidenschaft erfüllt und ihnen einen Vorsprung im späteren Leben verschafft.
Haben wir uns nicht alle schon gefragt: “Was ist meine Bestimmung?”
Dazu fällt mir die berühmte Aussage des amerikanischen Mythologen und Philosophen Joseph Campbell ein: “Folge deinem Glück”. Folge deinem Glück und du wirst ein glückliches und erfülltes Leben führen, verspricht er.
Aber um seinem Glück zu folgen, muss man erst einmal wissen, was das eigentlich ist. Und um das herauszufinden, begeben sich viele Eltern auf die Suche nach Talent und Leidenschaft für ihre Kinder – was sie damit wirklich bewirken wollen, ist die Aussicht auf ein glückliches und erfülltes Leben für ihre Zöglinge. Und dann sind eben montags Fußball, donnerstags Klavier und für den Rest der Woche andere Beschäftigungen angesagt.
In der Hoffnung, die Talente ihrer Kinder zu entdecken, bieten Eltern ihnen eine Vielzahl von Aktivitäten und Chancen an und wünschen sich nichts mehr, als dass ihr Kind so das nötige Sprungbrett in ein erfolgreiches und glückliches Leben erhält und Charakterstärke, Durchhaltevermögen und Motivation ausbilden kann.
Es muss allerdings gar nicht so schwer sein. Eine Talentsuche dieser Art führt häufig zu überforderten Kindern und erschöpften Familien. Glaubt man Stuart Brown, dem amerikanischen Psychologen und Pionier der Spielforschung, (über den ich schon hier und hier geschrieben habe, weil man einfach nicht genug Gutes über das Spielen sagen kann), gibt es einen sehr viel einfacheren Weg.
Er sagt nämlich, dass wir auf ganz natürlichem Wege erfahren können, wo die angeborenen Talente unserer Kinder liegen. Wir müssten sie dazu nur beim Spielen beobachten und genau auf die Dinge achten, mit denen sie sich dabei am liebsten beschäftigen.
Er sagt, dass das Leben uns im Spiel mitteile, wer und was wir sind. Wir müssten uns nur darauf besinnen, was uns am meisten Freude bereitet und das als Hinweis auf unsere wahren Talente verstehen. Wie schon Campbell geht auch Brown davon aus, dass es für jeden Menschen einen Weg im Leben gibt, der seine Seele nährt, der ihn tief berührt und glücklich macht. Er sagt “… wenn Sie zurück zu ihren frühesten gefühlsgeladenen, visuellen und viszeralen Erinnerungen gehen, zu dem, was ihnen wirklich Freude bereitet hat, merken Sie, was natürlich für Sie war und wo Ihre Talente liegen.” (Von mir frei übersetzt.)
Dem würde Maria Montessori zustimmen. Auch sie ging davon aus, dass jedes Kind eine besondere Begabung besitzt und dass wir nur auf die Zeichen achten müssen, die uns zu dieser Begabung führen. Bei einigen Kindern sind sie leichter ersichtlich und bei anderen nicht gleich zu entdecken — Montessoris Grundsatz “Folge dem Kind” beschreibt im Grunde genommen den Vorgang dieses Beobachtens.
Das Beobachten ist eines der wichtigsten Werkzeuge in der Montessori-Pädagogik. Es erlaubt den Lehrern nicht nur, die Entwicklung und Bedürfnisse der Schüler zu erkennen, sondern auch deren Stärken, Interessen und natürliche Talente zu entdecken.
Im Spiel zeigen Kinder auf natürliche Weise, wofür sie sich interessieren, wo sie einzigartig sind und was der wahre Charakter ihrer Persönlichkeit ist. Wenn wir das erkennen, erhalten wir den Schlüssel zu ihren Talenten und Leidenschaften.
Das gilt übrigens auch für Erwachsene.
Wenn auch Sie sich mal wieder an ihren Schreibtisch gebunden fühlen und viel lieber durch den Wald rennen und spielen würden, folgen Sie doch mal Browns Rat. Erinnern sie sich an Ihre Kindheit zurück und überlegen Sie, was Sie am liebsten gespielt haben. Was hat Sie mit Freude erfüllt? Eine Einschränkung gibt es allerdings — und das gilt für Erwachsene und Kinder gleichermaßen — ein Leben im Einklang mit unserem Glück bedeutet nicht immer den einfachsten und angenehmsten Weg zu wählen.
Brown sagt nämlich auch, dass Campbells berühmter Rat teilweise einer weiteren Erklärung bedürfe. Wir dürfen ihn nicht so verstehen, dass wir allem Unangenehmen und Schwierigen aus dem Weg gehen sollten. Auf dem Weg zum Glück gäbe es auch Herausforderungen und Hindernisse und wenn wenn uns ‘unser Glück’ nur Spaß und Freude verschafft, befänden wir uns möglicherweise auf dem falschen Weg. Laut Campbell ist Glück manchmal eben auch mit Schmerzen verbunden. (Stuart Brown in seinem Buch ‘Play’. Brown und Campbell haben übrigens über einige Jahre hinweg zusammen gearbeitet.)
Und dass das wahr ist, merken wir schnell, wenn wir uns einen Marathonläufer oder Triathleten anschauen…
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