Singen, die Wunderpille gegen alles?

Latest Posts  •   21. März 2016

Ich habe mal gehört, dass alle großen Musiker eines gemeinsam haben und zwar, dass in ihrer Kindheit viel gesungen wurde. Und wenn ich an all die Musiker denke, die ich im Laufe meines Lebens kennengelernt habe, kann ich das in vielen Fällen bestätigen.

Trotzdem fällt mir auch auf, dass in den meisten Familien so gut wie gar nicht mehr gesungen wird. Zwar bewundern wir Menschen, die singen – wir feiern unsere Popstars und lassen uns den ganzen Tag von ihrer Musik berieseln – aber selber singen, das trauen wir uns häufig nicht.

Dabei ist Singen ein elementares Grundbedürfnis des Menschen und ich bin mir ziemlich sicher, dass selbst die Gesangsmuffel unter Ihnen privat, also im Auto oder unter der Dusche, fröhlich vor sich hin trällern. Das Bedürfnis ist also da und das sollte es auch, denn Singen macht glücklich. Singen geht “unter die Haut”, es löst Gefühle aus – und zwar immer positive!

In seinem Vortrag “Wie man sein Gehirn optimal benutzt” beschreibt der Neurobiologe Prof. Dr. Dr. Gerald Hüther, dass es aufgrund der Körperhaltung die man beim Singen einnimmt (gedehnter Brustkorb, angehobener Kopf) gar nicht anders geht – man muss beim Singen einfach ein gutes Gefühl bekommen, alles andere ist unmöglich.

Er erklärt, dass es im Gehirn zur Aktivierung der emotionalen Zentren kommt und verschiedene Botenstoffe ausgeschüttet werden, wenn etwas unsere Gefühle anspricht. Wenn wir zum Beispiel in einer Gruppe singen, wird unser Körper mit dem Bindungshormon Oxytocin überschüttet oder – und dies geschieht sogar beim Solo-Konzert unter der Dusche – mit Glückshormonen wie Dopamin und Serotonin sowie endogenen Opiaten (Peptide).

Hüther bezeichnet Singen als ‘Wunderpille’ gegen Angst und Stress.

Singen kann aber noch viel mehr! Der Hormoncocktail, den wir beim Singen ausschütten, wirkt sich nicht nur gemütsaufhellend, stressreduzierend und angsthemmend aus; er sorgt auch dafür, dass im Hirn neue Synapsen gebildet werden, alte Verschaltungen umgebaut oder neue Netzwerke aufgebaut werden – der Sänger wird klüger und kann alte, vielleicht nicht mehr nützliche Denkmuster ablegen oder sich plötzlich wieder besser erinnern.

In seinem Vortrag beschreibt Hühter Singen als “Optimalnutzung” für das Gehirn und zwar für alle Menschen, von jung bis alt.

Für Kinder ist Singen zum Beispiel die beste Übung zur Verbesserung der Feinmotorik. Es wird unheimlich viel Feinmotorik benötigt – und damit natürlich Verarbeitungskapazität im Gehirn – um die feinen Stimmbänder so zu modelieren, dass sie den richtigen Ton treffen. Da kann das Ausschneiden mit der Schere, eine der beliebtesten Tätigkeiten zur Schulung der Feinmotorik in Kindergarten und Vorschule, nicht mithalten.

Und wenn man als Kind erfahren hat, dass man sich durchs Singen selbst in ein gutes Gefühl bringen kann, ist diese Erfahrung das ganze Leben lang als Ressource abrufbar.

Kinder können über das Singen aber nicht nur ihre eigene Stimmung regulieren. Wenn sie gemeinsam mit anderen singen, müssen sie sich aufeinander einstellen, kooperieren und Rücksicht nehmen, was sich positiv auf ihr Sozialverhalten und ihre emotionale Kompetenz auswirkt.

Singen wirkt sich auch im Alter sehr positiv auf die Sänger aus. Es hält aktiv, belebt, fördert die Kommunikation, macht Spaß und löst Emotionen aus. Und wenn ältere Menschen wieder emotional berührt werden, können sie sich plötzlich wieder besser erinnern. Sie nehmen intensiver am Leben teil, werden selbstbewusster und fühen sich erneut herausgefordert.

Singen und besonders das gemeinsame Singen mit kleinen Kindern, ist eine schöne Erfahrung und eine Herausforderung für Senioren, bei der ihr Hirn stimuliert wird. Projekte in denen Kindergartengruppen gemeinsam mit Bewohnern von Altenheimen singen, zeigen sehr schön, wie Singen unser Leben bereichern kann – in jedem Alter!

Warum singen wir dann so wenig?

Viel zu häufig wird Singen als Leistung angesehen, dabei sollte der gemeinsame Spaß oder die individuelle Freude beim Singen immer im Mittelpunkt stehen. Singen ist immer der individuelle und authentische Ausdruck unserer Befindlichkeit oder Stimmung und da gibt es kein richtig oder falsch!

An der Modern Music School sind wir davon überzeugt, dass jeder singen kann.

2020-04-27T10:28:46+00:00März 21st, 2016|

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