Shared Attention und warum sie für Kinder wichtig ist

Latest Posts • 22. August 2022

Shared Attention – das ist die Fähigkeit zur geteilten Aufmerksamkeit. Klingt einfach, doch tatsächlich muss sie von kleinen Kindern erst einmal erfahren und erlernt werden, damit sie daraus bestimmte Verhaltensweisen ableiten können. Shared Attention ist eine wichtige Sozialisationserfahrung. Im Folgenden erkläre ich, warum diese so wichtig ist und was passieren kann, wenn sie zu kurz kommt.

Um Shared Attention zu erfahren, müssen wir erleben, wie es ist, sich gemeinsam auf eine Sache zu konzentrieren. Diese Sache kann eine gemeinsame Aktivität sein, sie kann aber auch einfach darin bestehen, sich gemeinsam mit einer anderen Person über oder auf etwas zu freuen. Kinder erleben dies beispielsweise, wenn man mit ihnen zusammen ein Bilderbuch anschaut oder gemeinschaftlich etwas bastelt oder kocht. Man findet sich in solchen Momenten zusammen in etwas Drittem und erfährt Verbundenheit.

 

Shared Attention ist zugleich die Voraussetzung dafür, Gemeinschaften ausbilden zu können und sich auf etwas Gemeinsames einlassen zu können. Für Kinder, die diese Erfahrung nicht machen, kann es schwierig werden, mit Bezugspersonen und Gleichaltrigen zu interagieren und Beziehungen aufzubauen. Denn die Erfahrung der Shared Attention hilft bei der Entwicklung wichtiger sozialer Fähigkeiten wie Bindung und Einsicht in die Sichtweise des anderen.

Konkret bedeutet das, dass ein Kind mit bestimmten Situationen überfordert sein kann, wenn es ihm in der Vergangenheit an Shared Attention mangelte. Ein Beispiel: Ein paar Kinder wollen zusammen ein Baumhaus bauen. Einem der Kinder mangelt es an Shared Attention Erfahrungen. Es will dazu gehören, doch ist ihm dies nicht über die Zusammenarbeit am gemeinsamen Projekt möglich. Anstatt mitzuplanen und zu bauen, stört das Kind die anderen, indem es Aufmerksamkeit einfordert.

Während dies bei Kleinkindern toleriert wird – man denke nur an das kleine Geschwisterkind, das den soeben errichteten Bauklotz-Turm der großen Schwester oder des großen Bruders umstößt – wird ein älteres Kind durch ein solches Verhalten anecken und nicht zuletzt selbst um schöne Erfahrungen gebracht.

Die Fähigkeit, gemeinsame Aufmerksamkeit herzustellen, ist entscheidend für die Entwicklung sozialer Kommunikation und kognitiver Fähigkeiten. Bei Kindern mit einer normalen Entwicklung beginnt sich die Fähigkeit zur Shared Attention tatsächlich schon früh nach der Geburt sich auszubilden. Und um das dritte Lebensjahr herum sind Kinder gewöhnlich in der Lage, die Shared Attention von Erwachsenen und Gleichaltrigen zu erlangen und aufrechtzuerhalten

Zu wenig Herausforderungen

Mit einem Mangel an Shared Attention eng zusammenhängen können fehlende Herausforderungen. Ich persönlich kann das sehr oft beobachten. Kinder haben selten die Gelegenheit zu zeigen, was sie zusammen mit anderen erreichen können. Unser Leben ist absolut verschult. Kinder werden ständig belehrt und unterrichtet, dürfen aber nur wenige Erfahrungen wirklich selber sammeln. Heute ist vor allem Stillsitzen gefragt – in der Schule (selbst bei Gruppenarbeiten) und später im Büro. Den Kindern fehlen damit die Gelegenheiten, Impulskontrolle und Handlungsplanung zu entwickeln.

Eltern können einiges tun, damit ihr Kind die Fähigkeit zur geteilten Aufmerksamkeit bestmöglich entwickeln kann. Wichtig sind hier ein gewisses Vertrauen in die Fähigkeiten des Kindes und natürlich Zeit und Geduld. Die Vorstellung vom Kind, das sich stundenlang friedlich ganz allein mit seinen Spielsachen beschäftigt, klingt erst einmal toll und es ist auch grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden. Doch es hat einen Grund, warum viele Kinder dies eher selten tun und lieber die Aufmerksamkeit der Menschen in ihrer Umgebung einfordern. Und wenn es gerade möglich ist, sollte auf den Wunsch nach gemeinsamem Spiel eingegangen werden oder das Kind kann in das eingebunden werden, womit man gerade beschäftigt ist. Das geht natürlich nicht immer, doch oft müssen wir Eltern uns eingestehen, dass eine Tätigkeit mit dem Kind gemeinsam zwar länger dauert, aber nicht unmöglich ist – dazu gehören zahlreiche Tätigkeiten, die den Tag über im Haushalt anfallen. Und es lohnt sich für alle Beteiligten, wenn wir uns häufiger diese Zeit zu nehmen. Denn das Kind wird dadurch nicht nur Shared Attention lernen, sondern auch viele andere Dinge, die es dann ganz bald vielleicht ganz allein erledigt. Und das wiederum ist wohl im Sinne aller Eltern.

2022-08-22T13:15:51+00:00August 22nd, 2022|

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