Mit „Flow“ schneller lernen und auch Musiküben geniessen

Latest Posts  •   29. Juli 2019

Ich war 19 Jahre alt, als ich Flow zum ersten Mal an meinem Schlagzeug erlebt habe. Ich habe ganze Tage damit verbracht, meine Strokes und Rolls (beides Techniken am Schlagzeug) zu üben. Stundenlang und höchst konzentriert habe ich sie wiederholt, bis ich die Welt um mich herum völlig vergessen habe. Ich kann mich noch genau an die Freude und Leichtigkeit erinnern, die damit einherging und an die Zufriedenheit, wenn alles gut lief. Ich habe mich dann selbst herausgefordert, es beim nächsten Mal noch schneller und sauberer zu spielen. Jedes Mal, wenn ich so konzentriert an meinen Zielen gearbeitet habe, war ich ‘in the zone’. Ich wollte einfach immer weiter machen. Damals wusste ich nicht, dass diese Erfahrung ‘Flow ’ genannt wird – und mein Lehrer auch nicht (oder er hätte mir geholfen, leichter einen Zugang zu finden).

Flow bedeutet Fluss (to flow = fließen) und das Flow-Konzept wurde in den 70er Jahren von Mihály Csíkszentmihályi, einem Pionier der psychologischen Glücksforschung entwickelt. Auf der Suche danach, was Menschen glücklich macht, hat er Musiker, Schauspieler, Tänzer, Sportler und Wissenschaftler beobachtet — allesamt Menschen, die Neues erschaffen und erkunden und dies meist aus reiner Freude an der Tätigkeit selber tun.

Er fasst die Erfahrungen seiner Studienteilnehmer zum Thema Flow so zusammen:

“In den frühen siebziger Jahren sprach ich mit Schachspielern, Bergsteigern, Musikern und Basketballspielern. Ich bat sie zu beschreiben, was sie erlebten, wenn das, was sie taten, richtig gut lief. Natürlich rechnete ich mit den unterschiedlichsten Geschichten. Doch die Interviews schienen sich in vielen wesentlichen Aspekten auf ein und dieselbe Qualität der Erfahrung zu konzentrieren. Zum Beispiel sagten alle, dass man völlig in dem, was man täte, aufginge, dass die Konzentration sehr hoch wäre, dass man von Augenblick zu Augenblick genau wisse, was man zu tun habe und eine sehr direkte und schnelle Rückmeldung darüber erhielte, wie gut man bei seiner Arbeit wäre, und weiter noch, dass den eigenen Fähigkeiten zwar das Äußerste, jedoch nie zu viel abverlangt würde. Mit anderen Worten, die Herausforderungen und die Fertigkeiten hielten sich die Waage. Und waren all diese Bedingungen simultan gegenwärtig, vergaß man seine Alltagssorgen und sogar sich selbst als etwas Getrenntem von dem, was gerade vor sich ging. Man war sich bewusst, dass man Teil von etwas Größerem war und bewegte sich entlang der inneren Logik der Handlung. Jeder sagte gleichermaßen aus, es wäre wie von einer Strömung getragen zu werden, spontan, mühelos, wie ein Fließen. Zudem vergäße man die Zeit und fürchte sich nicht vor Kontrollverlust.

Man wäre sicher, die Situation, wenn nötig, unter Kontrolle zu haben. Es wäre aber schwer zu bewerkstelligen, weil die Anforderungen hart seien. Es fühlte sich auf der einen Seite zwar vollkommen mühelos an, wäre aber dennoch im hohen Masse abhängig vom Konzentrationsvermögen und den Fertigkeiten. Es wäre also eine Art von paradoxem Zustand, wo man auf einem angenehmen Grat zwischen Streben und Unruhe einerseits und Langeweile andererseits stände. Man funktionierte auf diesem schmalen Grat, wo man gerade eben das tun konnte, was getan werden musste.”

Auch mir haben viele Musiker über diese herrlichen Momente berichtet, in denen sie die Welt um sich herum vergessen haben, eins waren mit ihrem Instrument und völlig in die Musik abtaucht sind.

Ich erlebe Flow heute beim Mountainbiken. Wenn ich alleine durch den Wald fahre, mich ganz auf den schmalen Pfad konzentriere und dabei Mulden und Hügel überquere, dann bin ich mit einer unglaublichen Leichtigkeit erfüllt, fast so, als würde ich schweben. Ich verliere jegliches Zeitgefühl und fühle mich einfach nur gut, wach, unbefangen und auf dem Gipfel meiner Fähigkeiten. Handlung und Bewusstsein scheinen eins zu sein. Alles geschieht mühelos und wie von alleine.

Flow ist für jeden erlebbar – wenn die notwendigen Bedingungen geschaffen sind.

Laut Csíkszentmihályi sind die folgenden Rahmenbedingungen Voraussetzung für Flow:

  • Optimale Balance zwischen Anforderungen und Fähigkeiten

  • Sofortiges Feedback zur eigenen Tätigkeit

  • Klare Ziele für alle einzelnen Schritte

  • Handlung und Bewusstsein verschmelzen

  • Ablenkungen werden ausgeblendet

  • Keine Angst vor Misserfolgen

  • Verschwinden der Eigenwahrnehmung

  • Verändertes Zeitgefühl

  • Handlung wird zum Zweck

Am besten erreichen wir einen Flow-Zustand also, wenn wir etwas tun, was nicht zu schwer aber auch nicht zu einfach ist. Es sollte eine Herausforderung sein, bei der allerdings die Chance besteht, dass wir sie meistern können. Außerdem brauchen wir Klarheit über unsere Ziele und unmittelbares Feedback.

Wenn man ein Instrument lernt, ist es nicht immer einfach, diesen Kreislauf zwischen optimalen Herausforderungen herzustellen oder alleine festzustellen, ob man etwas richtig gespielt hat.

An der Modern Music School behalten die Lehrer diesem Balanceakt zwischen Stress (wenn der Schwierigkeitsgrad für unsere Fähigkeiten zu hoch ist) und Langeweile (wenn der Schwierigkeitsgrad zu gering ist) immer im Auge. Sie geben ihren Schülern das nötige Feedback und viele Gelegenheiten, in einen eigenen Flow-Zustand zu kommen.

Mit verschiedenen Methoden helfen sie ihren Schülern, die eigenen Gedanken besser zu kontrollieren und alle Aufmerksamkeit auf das Instrument zu richten. So lernen sie, das Spielen (und Üben!) wirklich zu genießen, negative Gedanken wie Angst, Ehrgeiz oder Ungeduld auszublenden und ganz im Augenblick zu sein. Beim Musikspielen geht es dann nicht mehr darum, besser zu werden oder ‘es endlich richtig zu machen’ – Ziel des Musikmachens wird das Musikmachen selbst. Durch Flow-Erlebnisse wird das Spielen an sich zur Belohnung (=intrinsische Belohnung). Und besser wird man natürlich auch, denn Flow steigert gleichzeitig die Lernfähigkeit. Man ist so bei der Sache, dass man nicht gleich aufgibt und auch in schwierigen Situationen ganz konzentriert weitermacht.

Probiere es aus, wenn auch du eine Extraportion (Eigen-)Motivation und Lernpower gebrauchen kannst. Denn genau das bietet Flow!

2020-04-28T08:01:45+00:00Juli 29th, 2019|

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